Urteil zur Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit – Wie gut ist das Gastgewerbe vorbereitet?

ETL ADHOGA GASTRObriefing #81 klärt auf

25.10.2022

Ein Beschluss, der alles verändert oder viel Aufregung um nichts? An der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 scheiden sich die Geister. Darin teilte das BAG mit, dass Arbeitgeber:innen verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmer:innen geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Auf die Meldung folgten ein bemerkenswertes Medienecho und eine branchenübergreifende Debatte. Doch wie bedeutsam ist der Beschluss für die Gastro-Branche? Und welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber:innen, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter:innen praktikabel und ohne übermäßigen bürokratischen Aufwand festzuhalten? Im regelmäßigen Branchenupdate ETL ADHOGA GASTRObriefing empfing ETL ADHOGA-Leiter Erich Nagl den ETL-Rechtsanwalt Steffen Pasler, um gemeinsam auf Spurensuche zu gehen.

Die Arbeitszeiterfassung – für die einen ein Segen, für andere ein leidiges Symbol bürokratischer „Ressourcenfresserei“. Doch wie immer man dazu steht: Spätestens seit dem 13.09. ist die Auffassung des BAG bekannt, wonach eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestehe. Für Unternehmer:innen aus der Gastronomie ist diese Auskunft allerdings nicht überraschend. Schließlich besteht die Aufzeichnungspflicht für die Branche schon sehr lange, wie Steffen Pasler im GASTRObriefing #81 feststellt: „Seit es das Mindestlohngesetz (MiLoG) gibt und Hotellerie und Gastronomie unter § 2a als eine sogenannte Schwarzarbeit gefährdete Branche klassifiziert ist, müssen Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeiten aufgezeichnet werden“, erläutert der Rostocker ETL-Rechtsanwalt. Allerdings gestattet der Gesetzgeber einige Ausnahmen. „Wer ein Monatsentgelt von über 4.376 Euro brutto erhält oder in den letzten zwölf Monaten mehr als 2.784 Euro ausgezahlt bekommen hat, ist von der Aufzeichnungspflicht befreit“, weiß Pasler. Dies gilt auch für nahe Angehörige. Inwieweit diese Ausnahmen nun noch Bestand haben können, sei allerdings noch nicht absehbar.

Für viele Arbeitgeber:innen gilt die Aufzeichnungspflicht als „Bürokratiemonster“. Eine Verletzung derselben geht allerdings mit einem Bußgeld einher, warnt Pasler. Vom aktuellen Beschluss des BAG nicht tangiert sei wiederum die Frage der Vergütung bei dokumentierten Überstunden. „Hier ist die Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeit nur ein Baustein. Der zweite ist die Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung. Das hat das BAG bereits im Mai deutlich gemacht.“ Am sichersten sei es, anfallende Überstunden regelmäßig abzusprechen, zu dokumentieren und gegenzeichnen zu lassen. „Ein gut geführtes Arbeitszeitenkonto hilft hierbei natürlich beiden Seiten“, so Pasler.

Die Entscheidung des BAG vom 13. September zur Arbeitszeiterfassung ist zudem ein Urteil „inter partes“, also zunächst nur für die sich konkret im Rechtsstreit befindenden Parteien gültig. „Urteile mit allgemeiner Gültigkeit zu sprechen ist Sache des Bundesverfassungsgerichtes. Daher ist die große Aufregung meines Erachtens auch nicht gerechtfertigt“, plädiert Pasler für eine Versachlichung der Debatte.

Am Ende sei insbesondere für kleine Betriebe ein praktikabler Ansatz gefragt, die Arbeitszeiterfassung nicht zum Bürokratiemonster werden zu lassen. Smarte, auch digitale, Lösungen gebe es bereits, so dass Arbeitgeber:innen im Gastgewerbe nicht die negativ konnotierte Stechuhr wieder einführen müssten.

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Aktuelles
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Die Arbeitszeiterfassung – für die einen ein Segen, für andere ein leidiges Symbol bürokratischer „Ressourcenfresserei“. Doch wie immer man dazu steht: Spätestens seit dem 13.09. ist die Auffassung des BAG bekannt, wonach eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestehe. Für Unternehmer:innen aus der Gastronomie ist diese Auskunft allerdings nicht überraschend. Schließlich besteht die Aufzeichnungspflicht für die Branche schon sehr lange, wie Steffen Pasler im GASTRObriefing #81 feststellt: „Seit es das Mindestlohngesetz (MiLoG) gibt und Hotellerie und Gastronomie unter § 2a als eine sogenannte Schwarzarbeit gefährdete Branche klassifiziert ist, müssen Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeiten aufgezeichnet werden“, erläutert der Rostocker ETL-Rechtsanwalt. Allerdings gestattet der Gesetzgeber einige Ausnahmen. „Wer ein Monatsentgelt von über 4.376 Euro brutto erhält oder in den letzten zwölf Monaten mehr als 2.784 Euro ausgezahlt bekommen hat, ist von der Aufzeichnungspflicht befreit“, weiß Pasler. Dies gilt auch für nahe Angehörige. Inwieweit diese Ausnahmen nun noch Bestand haben können, sei allerdings noch nicht absehbar.

Für viele Arbeitgeber:innen gilt die Aufzeichnungspflicht als „Bürokratiemonster“. Eine Verletzung derselben geht allerdings mit einem Bußgeld einher, warnt Pasler. Vom aktuellen Beschluss des BAG nicht tangiert sei wiederum die Frage der Vergütung bei dokumentierten Überstunden. „Hier ist die Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeit nur ein Baustein. Der zweite ist die Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung. Das hat das BAG bereits im Mai deutlich gemacht.“ Am sichersten sei es, anfallende Überstunden regelmäßig abzusprechen, zu dokumentieren und gegenzeichnen zu lassen. „Ein gut geführtes Arbeitszeitenkonto hilft hierbei natürlich beiden Seiten“, so Pasler.

Die Entscheidung des BAG vom 13. September zur Arbeitszeiterfassung ist zudem ein Urteil „inter partes“, also zunächst nur für die sich konkret im Rechtsstreit befindenden Parteien gültig. „Urteile mit allgemeiner Gültigkeit zu sprechen ist Sache des Bundesverfassungsgerichtes. Daher ist die große Aufregung meines Erachtens auch nicht gerechtfertigt“, plädiert Pasler für eine Versachlichung der Debatte.

Am Ende sei insbesondere für kleine Betriebe ein praktikabler Ansatz gefragt, die Arbeitszeiterfassung nicht zum Bürokratiemonster werden zu lassen. Smarte, auch digitale, Lösungen gebe es bereits, so dass Arbeitgeber:innen im Gastgewerbe nicht die negativ konnotierte Stechuhr wieder einführen müssten.