Folge 4: Nachhaltigkeit in der Hotellerie, aus dem Lulu Goldsmeden Hotel, Berlin

01.04.2022

„Der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen nimmt auch das Gastgewerbe in die Pflicht, jetzt nachhaltiger, umwelt- und klimafreundlicher zu wirtschaften.
Eine Person, die sich seit Jahren mit aller Kraft dafür einsetzt, das Bewusstsein für das Notwendige in der Hotellerie zu steigern und konkrete Schritte aufzuzeigen, wie die Branche erfolgreich und nachhaltig die Zukunft gestalten kann, ist Suzann Heinemann. Sie ist seit 25 Jahren in der Hotelindustrie als Gründerin und Geschäftsführerin tätig.
2001 gründete Suzann Heinemann die Hotelkooperation GreenLine Hotels. Heute fungiert GreenLine als Plattform für nachhaltiges Reisen. Mit „Green Sign“ hat sie zudem ein transparentes Nachhaltigkeitszertifikat für die Hotellerie entwickelt. Über ihren Antrieb, die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Branche und weiteres haben wir mit ihr in der Lobby des Lulu Goldsmeden Hotels Berlin, dem umweltbewussten 4-Sterne-Hotel in der Hauptstadt, gesprochen.

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Mehr Informationen

Suzann, stell dich doch bitte einmal kurz vor: Wer bist du und was machst du?
Ich habe vor über 20 Jahren die Hotelkooperation „GreenLine Hotels“ gegründet. Vor ca. acht bis neun Jahren habe ich mich erstmalig mit Nachhaltigkeit und „sanftem Tourismus“ beschäftigt. Wir haben uns gefragt: Was können wir eigentlich in Sachen sanfter Tourismus, Nachhaltigkeit und Umweltschutz für die Hotels machen? Wir leben ja davon, dass Leute zu uns in die Hotels kommen, dort Urlaub machen und die schönste Zeit des Jahres bei uns verbringen. Doch mit Ressourcenschonung, Umweltbewusstsein und weiteren Einsparungen Urlaub zu machen ist eine große Herausforderung. 2015 haben wir erstmals mit einer Hochschule zusammen ein Nachhaltigkeitszertifikat entwickelt. Eine Zertifizierung mit fünf Kernbereichen, die sehr auf die Green Line Hotels abgestellt war. Wir haben angefangen, unsere 140 Mitgliedshäuser zu zertifizieren und haben festgestellt, dass das wahnsinnig viel Spaß macht und gerade für die Hotellerie sehr praktikabel ist. Daraufhin habe ich die Entscheidung gefällt, ein Institut zu gründen und es breiter und größer aufzustellen. Wir sind nun im siebenten Jahr und entwickeln das Zertifikat immer weiter.

„Die soziale Säule ist ganz wichtig, weil es gerade in der Hotellerie und im Tourismus enorm bedeutsam ist zu reflektieren, wie man mit den Mitarbeitern umgeht.“

Stell uns das Siegel und seine Kriterien doch bitte einmal näher vor.
GSTC – eine internationale Anerkennung für nachhaltigen Tourismus – ist mittlerweile in der Hotellerie bekannt. Wir haben auf den GSTC-Kriterien unsere Zertifizierung aufgesetzt – nach internationalen Standards wie der ISO 14001 und den 17 UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG’s). Wir schauen uns tiefergehend die großen Umweltthemen – Wasser, Energie, Abfall – an, die die Hotellerie betreffen. Wichtig ist für uns auch die Mobilität, der Einkauf, die Regionalität, Qualität, und auch die soziale Komponente. Letztere haben wir stark gewichtet, weil viele Zertifizierungen sich überhaupt nicht um die soziale Säule kümmern. Das ist aber ganz wichtig, denn gerade in der Hotellerie und im Tourismus ist es enorm bedeutsam zu reflektieren, wie man mit den Mitarbeitern umgeht. Wobei die soziale Säule nicht nur den Umgang mit den Mitarbeitern bedeutet, sondern auch die Frage, was in den Regionen geschieht und wie wir die unterstützen können. Das haben wir in unserem Zertifizierungsprozess mit verankert.

Da muss ich einmal nachhaken. Wie bringe ich denn die soziale Säule, den Umgang mit den Mitarbeitern, mit Nachhaltigkeit in Verbindung?
Das ist genau der Punkt! Viele denken, Nachhaltigkeit ist nur Ökologie. Aber Ökologie ist nicht nur Nachhaltigkeit. Die soziale Säule vernachlässigen viele. Obwohl gerade sie in der Hotellerie und Gastronomie extrem wichtig ist. Und die Mitarbeiter finden es auch „cool“, wenn sie bei einem Arbeitgeber arbeiten, der bewusst mit den Ressourcen umgeht, der umweltfreundlich ist und sich Gedanken über eine nachhaltige Zukunft macht. Insofern kann ich nur jedem Hotelier, jedem Unternehmer dazu raten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn dann werden seine Mitarbeiter nicht nur dableiben, er wird auch neue Mitarbeiter bekommen, weil er sich heute noch vom Markt abhebt. Aber bald schon nicht mehr – bald ist es Voraussetzung!

„Greenwashing kommt für uns überhaupt nicht infrage! Wir haben uns gesagt: Wenn, dann machen wir es richtig!“

Wie bist du persönlich zum Thema Nachhaltigkeit gekommen? Gab es ein einschneidendes Erlebnis oder war das schon immer eine Faszination von dir?
Ich bin seit über 20 Jahren in der Hotellerie tätig. Zu Anfang, als das Wort „sanfter Tourismus“ die Runde machte, dachte ich noch: Wovon reden die da? Wenn man dann unterwegs ist und den Unterschied zwischen sanftem Tourismus und Massentourismus sieht, stellt man fest: So kann es nicht weitergehen! Schneller, höher, weiter – wir fliegen in alle Teile der Welt, und zwar nicht nur einmal, sondern wie wir Tais fahren – das kann so nicht weitergehen. Mir war dann klar: Sanfter Tourismus muss vereinbar sein mit den Regionen. Mit „GreenLine Hotels“ haben wir Nachhaltigkeit sozusagen im Namen verankert. Und ich wollte nicht, dass man uns irgendwann „Etikettenschwindel“ vorhalten kann. Mit den Namen haben wir doch die beste Voraussetzung, uns mit dem Thema mehr zu beschäftigen, und nicht nur oberflächlich zu sein, meinte ich damals. Greenwashing kommt für uns überhaupt nicht infrage! Wir haben uns gesagt: Wenn, dann machen wir es richtig!

Greenwashing ist ein gutes Stichwort: Aufgrund der besonderen Relevanz des Themas stehen wirtschaftliche Initiativen für mehr Nachhaltigkeit besonders unter (kritischer) öffentlicher Beobachtung. „Greenwashing“ lautet ein vielzitierter, und oft begründeter, Vorwurf an Unternehmen. Ist dir Kritik dieser Art schon untergekommen? Wo liegt für dich der Unterschied zwischen Nachhaltigkeit als PR-Mittel und ernsthaftem, also wirklich nachhaltigem Handeln?
Der Vorwurf war einer der Gründe, weshalb ich überhaupt ein Institut gegründet und noch mehr Profis ins Haus geholt habe. Wir haben einen Nachhaltigkeitsbeirat, der uns inhaltlich und mit Know-how unterstützt. Denn wir als „GreenLine Hotels“ haben ja etwas Eigenes entwickelt. Ich wurde einmal eingeladen zu einer Konferenz in Luzern, stand auf dem Podium und wurde auseinandergenommen. Wieso wir etwas Eigenes machen würde, wieso wir nicht auf etwas bestehendes gesetzt hätten, ob das nicht Greenwashing sei? Da habe ich gesagt: „Das machen wir anders. Wir wollen nicht in so eine Ecke gedrängt werden. Dafür ist uns das Thema zu wichtig. Wir wollen transparent sein und kein Greenwashing betreiben. Und unsere Zertifizierung ist sehr transparent. Die Kriterien werden öffentlich gemacht, wir haben eine Auswertung in Form eines Barometers, dass der Hotelier zur Verfügung bekommt und bei dem Gäste, Mitarbeiter und Stakeholder genau sehen, bei welcher unserer acht definierten Säulen (Umwelt, Regionalität, Biodiversität, Wirtschaftlichkeit, Qualität etc.) der Hotelier wie nachhaltig ist. Und zwar nicht allgemein und unverbindlich, sondern in welchen konkreten Säulen.

„Der Anspruch, theoretisch erst einmal perfekt und komplett nachhaltig zu sein, bevor man es konkret umsetzt und kommuniziert, ist typisch deutsch. Ich persönlich finde das nicht richtig.“

Wie gelingt interessierten Hoteliers der Einstieg ins Thema Nachhaltigkeit? Wie würdest du einem „Anfänger“ in der Thematik die Angst nehmen vorm Greenwashing-Vorwurf, wirtschaftlichen Folgen oder etwaigen bürokratischen Hürden? Welche Schritte empfiehlst du einem solchen Unternehmer?
Ich kann natürlich immer sagen: Komm zu uns, wir begleiten dich dabei. Wir haben eine Zertifizierung entwickelt, die fünf Stufen hat. Fünf Stufen bedeutet, unser Zertifizierungskatalog hat über 100 Fragen in diesen verschiedenen Bereichen. Mit diesem Katalog nimmt der Hotelier eine Art Selbstevaluierung durch und sieht genau, wo er steht.
Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Dass, was du als Hotelier in Sachen Nachhaltigkeit machst, kannst du ja ordentlich kommunizieren. Dann bist du transparent und kommst auch nicht in das Thema Greenwashing. Wenn die Gäste sehen, dass du dieses und jenes schon machst, dann ist das ein toller Weg. Dann kann man diesen Weg auch authentisch kommunizieren. Nichts ist schlimmer als nur zu sagen: „Ich bin total nachhaltig und klimaneutral“. Du musst es transparent und nachvollziehbar machen.
Der Anspruch, theoretisch erst einmal perfekt und komplett nachhaltig zu sein, bevor man es konkret umsetzt und kommuniziert, ist typisch deutsch. Ich persönlich finde das nicht richtig. Ich denke, es kann sich jeder auf den Weg begeben – und es muss sich auch jeder auf den Weg begeben – und jeder kann das nach seinem Tempo beginnen. Wir müssen alle irgendwann klimaneutral sein. Lieber fange ich doch heute schon damit an. Natürlich werde ich als Hotelier dabei Fehler machen. Das gehört dazu. Wir haben manchmal nicht die richtige Fehlerkultur. Ich sage immer: Keine Angst vor Greenwashing, keine Angst vor Nachhaltigkeit, einfach anfangen und loslegen.

Zum Abschluss: Wie würde deine Vision einer nachhaltigen Branche aussehen?
Ich würde mir natürlich wünschen, dass unser „Green Sign“ der Standard für die Hotellerie wird. Intern bezeichne ich uns immer gern als den „grünen TÜV der Hotellerie“. Der Anspruch ist, den Hoteliers einen Ratgeber an die Hand zu geben und sie zu begleiten, ohne Angst vor Fehlern und dem Vorwurf des Greenwashing. Man sollte sich von Abteilung zu Abteilung die Prozesse anschauen und wegkommen vom Irrglauben, Nachhaltigkeit müsse teurer sein. Nachhaltigkeit beleuchtet die Prozesse im eigenen Unternehmen, wodurch man oft sieht, dass man viel Geld sparen kann, statt es zusätzlich ausgeben zu müssen. Darum geht es nicht?

Sind dafür Zertifikate und Siegel tatsächlich so dringend notwendig?
Ich glaube, dass es wichtig ist, um Transparenz zu zeigen und eine Vergleichbarkeit hinzubekommen. Dem Gast, dem Kunden und Konsumenten wird dadurch etwas an die Hand gegeben. Es gibt auf der anderen Seite aber auch genug Unternehmen, die von sich aus sagen, sie benötigen kein Zertifikat, um nachhaltig zu agieren. Das ist für mich auch fein.

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„Der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen nimmt auch das Gastgewerbe in die Pflicht, jetzt nachhaltiger, umwelt- und klimafreundlicher zu wirtschaften.
Eine Person, die sich seit Jahren mit aller Kraft dafür einsetzt, das Bewusstsein für das Notwendige in der Hotellerie zu steigern und konkrete Schritte aufzuzeigen, wie die Branche erfolgreich und nachhaltig die Zukunft gestalten kann, ist Suzann Heinemann. Sie ist seit 25 Jahren in der Hotelindustrie als Gründerin und Geschäftsführerin tätig.
2001 gründete Suzann Heinemann die Hotelkooperation GreenLine Hotels. Heute fungiert GreenLine als Plattform für nachhaltiges Reisen. Mit „Green Sign“ hat sie zudem ein transparentes Nachhaltigkeitszertifikat für die Hotellerie entwickelt. Über ihren Antrieb, die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Branche und weiteres haben wir mit ihr in der Lobby des Lulu Goldsmeden Hotels Berlin, dem umweltbewussten 4-Sterne-Hotel in der Hauptstadt, gesprochen.

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Suzann, stell dich doch bitte einmal kurz vor: Wer bist du und was machst du?
Ich habe vor über 20 Jahren die Hotelkooperation „GreenLine Hotels“ gegründet. Vor ca. acht bis neun Jahren habe ich mich erstmalig mit Nachhaltigkeit und „sanftem Tourismus“ beschäftigt. Wir haben uns gefragt: Was können wir eigentlich in Sachen sanfter Tourismus, Nachhaltigkeit und Umweltschutz für die Hotels machen? Wir leben ja davon, dass Leute zu uns in die Hotels kommen, dort Urlaub machen und die schönste Zeit des Jahres bei uns verbringen. Doch mit Ressourcenschonung, Umweltbewusstsein und weiteren Einsparungen Urlaub zu machen ist eine große Herausforderung. 2015 haben wir erstmals mit einer Hochschule zusammen ein Nachhaltigkeitszertifikat entwickelt. Eine Zertifizierung mit fünf Kernbereichen, die sehr auf die Green Line Hotels abgestellt war. Wir haben angefangen, unsere 140 Mitgliedshäuser zu zertifizieren und haben festgestellt, dass das wahnsinnig viel Spaß macht und gerade für die Hotellerie sehr praktikabel ist. Daraufhin habe ich die Entscheidung gefällt, ein Institut zu gründen und es breiter und größer aufzustellen. Wir sind nun im siebenten Jahr und entwickeln das Zertifikat immer weiter.

„Die soziale Säule ist ganz wichtig, weil es gerade in der Hotellerie und im Tourismus enorm bedeutsam ist zu reflektieren, wie man mit den Mitarbeitern umgeht.“

Stell uns das Siegel und seine Kriterien doch bitte einmal näher vor.
GSTC – eine internationale Anerkennung für nachhaltigen Tourismus – ist mittlerweile in der Hotellerie bekannt. Wir haben auf den GSTC-Kriterien unsere Zertifizierung aufgesetzt – nach internationalen Standards wie der ISO 14001 und den 17 UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG’s). Wir schauen uns tiefergehend die großen Umweltthemen – Wasser, Energie, Abfall – an, die die Hotellerie betreffen. Wichtig ist für uns auch die Mobilität, der Einkauf, die Regionalität, Qualität, und auch die soziale Komponente. Letztere haben wir stark gewichtet, weil viele Zertifizierungen sich überhaupt nicht um die soziale Säule kümmern. Das ist aber ganz wichtig, denn gerade in der Hotellerie und im Tourismus ist es enorm bedeutsam zu reflektieren, wie man mit den Mitarbeitern umgeht. Wobei die soziale Säule nicht nur den Umgang mit den Mitarbeitern bedeutet, sondern auch die Frage, was in den Regionen geschieht und wie wir die unterstützen können. Das haben wir in unserem Zertifizierungsprozess mit verankert.

Da muss ich einmal nachhaken. Wie bringe ich denn die soziale Säule, den Umgang mit den Mitarbeitern, mit Nachhaltigkeit in Verbindung?
Das ist genau der Punkt! Viele denken, Nachhaltigkeit ist nur Ökologie. Aber Ökologie ist nicht nur Nachhaltigkeit. Die soziale Säule vernachlässigen viele. Obwohl gerade sie in der Hotellerie und Gastronomie extrem wichtig ist. Und die Mitarbeiter finden es auch „cool“, wenn sie bei einem Arbeitgeber arbeiten, der bewusst mit den Ressourcen umgeht, der umweltfreundlich ist und sich Gedanken über eine nachhaltige Zukunft macht. Insofern kann ich nur jedem Hotelier, jedem Unternehmer dazu raten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn dann werden seine Mitarbeiter nicht nur dableiben, er wird auch neue Mitarbeiter bekommen, weil er sich heute noch vom Markt abhebt. Aber bald schon nicht mehr – bald ist es Voraussetzung!

„Greenwashing kommt für uns überhaupt nicht infrage! Wir haben uns gesagt: Wenn, dann machen wir es richtig!“

Wie bist du persönlich zum Thema Nachhaltigkeit gekommen? Gab es ein einschneidendes Erlebnis oder war das schon immer eine Faszination von dir?
Ich bin seit über 20 Jahren in der Hotellerie tätig. Zu Anfang, als das Wort „sanfter Tourismus“ die Runde machte, dachte ich noch: Wovon reden die da? Wenn man dann unterwegs ist und den Unterschied zwischen sanftem Tourismus und Massentourismus sieht, stellt man fest: So kann es nicht weitergehen! Schneller, höher, weiter – wir fliegen in alle Teile der Welt, und zwar nicht nur einmal, sondern wie wir Tais fahren – das kann so nicht weitergehen. Mir war dann klar: Sanfter Tourismus muss vereinbar sein mit den Regionen. Mit „GreenLine Hotels“ haben wir Nachhaltigkeit sozusagen im Namen verankert. Und ich wollte nicht, dass man uns irgendwann „Etikettenschwindel“ vorhalten kann. Mit den Namen haben wir doch die beste Voraussetzung, uns mit dem Thema mehr zu beschäftigen, und nicht nur oberflächlich zu sein, meinte ich damals. Greenwashing kommt für uns überhaupt nicht infrage! Wir haben uns gesagt: Wenn, dann machen wir es richtig!

Greenwashing ist ein gutes Stichwort: Aufgrund der besonderen Relevanz des Themas stehen wirtschaftliche Initiativen für mehr Nachhaltigkeit besonders unter (kritischer) öffentlicher Beobachtung. „Greenwashing“ lautet ein vielzitierter, und oft begründeter, Vorwurf an Unternehmen. Ist dir Kritik dieser Art schon untergekommen? Wo liegt für dich der Unterschied zwischen Nachhaltigkeit als PR-Mittel und ernsthaftem, also wirklich nachhaltigem Handeln?
Der Vorwurf war einer der Gründe, weshalb ich überhaupt ein Institut gegründet und noch mehr Profis ins Haus geholt habe. Wir haben einen Nachhaltigkeitsbeirat, der uns inhaltlich und mit Know-how unterstützt. Denn wir als „GreenLine Hotels“ haben ja etwas Eigenes entwickelt. Ich wurde einmal eingeladen zu einer Konferenz in Luzern, stand auf dem Podium und wurde auseinandergenommen. Wieso wir etwas Eigenes machen würde, wieso wir nicht auf etwas bestehendes gesetzt hätten, ob das nicht Greenwashing sei? Da habe ich gesagt: „Das machen wir anders. Wir wollen nicht in so eine Ecke gedrängt werden. Dafür ist uns das Thema zu wichtig. Wir wollen transparent sein und kein Greenwashing betreiben. Und unsere Zertifizierung ist sehr transparent. Die Kriterien werden öffentlich gemacht, wir haben eine Auswertung in Form eines Barometers, dass der Hotelier zur Verfügung bekommt und bei dem Gäste, Mitarbeiter und Stakeholder genau sehen, bei welcher unserer acht definierten Säulen (Umwelt, Regionalität, Biodiversität, Wirtschaftlichkeit, Qualität etc.) der Hotelier wie nachhaltig ist. Und zwar nicht allgemein und unverbindlich, sondern in welchen konkreten Säulen.

„Der Anspruch, theoretisch erst einmal perfekt und komplett nachhaltig zu sein, bevor man es konkret umsetzt und kommuniziert, ist typisch deutsch. Ich persönlich finde das nicht richtig.“

Wie gelingt interessierten Hoteliers der Einstieg ins Thema Nachhaltigkeit? Wie würdest du einem „Anfänger“ in der Thematik die Angst nehmen vorm Greenwashing-Vorwurf, wirtschaftlichen Folgen oder etwaigen bürokratischen Hürden? Welche Schritte empfiehlst du einem solchen Unternehmer?
Ich kann natürlich immer sagen: Komm zu uns, wir begleiten dich dabei. Wir haben eine Zertifizierung entwickelt, die fünf Stufen hat. Fünf Stufen bedeutet, unser Zertifizierungskatalog hat über 100 Fragen in diesen verschiedenen Bereichen. Mit diesem Katalog nimmt der Hotelier eine Art Selbstevaluierung durch und sieht genau, wo er steht.
Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Dass, was du als Hotelier in Sachen Nachhaltigkeit machst, kannst du ja ordentlich kommunizieren. Dann bist du transparent und kommst auch nicht in das Thema Greenwashing. Wenn die Gäste sehen, dass du dieses und jenes schon machst, dann ist das ein toller Weg. Dann kann man diesen Weg auch authentisch kommunizieren. Nichts ist schlimmer als nur zu sagen: „Ich bin total nachhaltig und klimaneutral“. Du musst es transparent und nachvollziehbar machen.
Der Anspruch, theoretisch erst einmal perfekt und komplett nachhaltig zu sein, bevor man es konkret umsetzt und kommuniziert, ist typisch deutsch. Ich persönlich finde das nicht richtig. Ich denke, es kann sich jeder auf den Weg begeben – und es muss sich auch jeder auf den Weg begeben – und jeder kann das nach seinem Tempo beginnen. Wir müssen alle irgendwann klimaneutral sein. Lieber fange ich doch heute schon damit an. Natürlich werde ich als Hotelier dabei Fehler machen. Das gehört dazu. Wir haben manchmal nicht die richtige Fehlerkultur. Ich sage immer: Keine Angst vor Greenwashing, keine Angst vor Nachhaltigkeit, einfach anfangen und loslegen.

Zum Abschluss: Wie würde deine Vision einer nachhaltigen Branche aussehen?
Ich würde mir natürlich wünschen, dass unser „Green Sign“ der Standard für die Hotellerie wird. Intern bezeichne ich uns immer gern als den „grünen TÜV der Hotellerie“. Der Anspruch ist, den Hoteliers einen Ratgeber an die Hand zu geben und sie zu begleiten, ohne Angst vor Fehlern und dem Vorwurf des Greenwashing. Man sollte sich von Abteilung zu Abteilung die Prozesse anschauen und wegkommen vom Irrglauben, Nachhaltigkeit müsse teurer sein. Nachhaltigkeit beleuchtet die Prozesse im eigenen Unternehmen, wodurch man oft sieht, dass man viel Geld sparen kann, statt es zusätzlich ausgeben zu müssen. Darum geht es nicht?

Sind dafür Zertifikate und Siegel tatsächlich so dringend notwendig?
Ich glaube, dass es wichtig ist, um Transparenz zu zeigen und eine Vergleichbarkeit hinzubekommen. Dem Gast, dem Kunden und Konsumenten wird dadurch etwas an die Hand gegeben. Es gibt auf der anderen Seite aber auch genug Unternehmen, die von sich aus sagen, sie benötigen kein Zertifikat, um nachhaltig zu agieren. Das ist für mich auch fein.